Miyako-jima

Nachdem bei der Reiseplanung feststand, dass ich Miniamidaito besuchen würde und ich bei einem Blick auf die Landkarte feststellte, dass ich Miyako-Jima vor einigen Jahren schon einmal als Reiseziel auf der Karte markiert hatte, beschloss ich, ein Inselhopping zu machen.
Miyako gehört ebenfalls zur Präfektur Okinawa, ist die viertgrößte Insel und hat wiederum mehrere kleine Nachbarinseln, die jeweils über drei spektakuläre Brücken zu erreichen sind.

Von Minamidaito nach Miyako reise ich wieder mit dem Flugzeug, allerdings gibt es keinen Direktflug und ich muss in Naha umsteigen.

In Miyako haben wir ein subtropisch-ozeanisches Klima. Die Haupttaifunzeit ist jetzt im Dezember zum Glück vorbei und ich erlebe die ersten Tage teilweise wolkiges bis sonniges Wetter bei Temperaturen von 22 – 26 Grad. Durch die relativ hohe Luftfeuchtigkeit fühlt es sich aber deutlich wärmer an.

In Miyako kenne ich niemanden und auch Taiko ist seit meiner Abreise aus Minamidaito nicht mehr aktiv geplant. Ich habe jetzt quasi Urlaub und verbringe die ersten Tage einfach damit, mit meinem gemieteten Auto die Küste abzufahren und an den jeweiligen Strandabschnitten zu verweilen und die Seele baumeln zu lassen.

Auch Miyako-Jima besteht hauptsächlich aus Kalkstein. An der Westküste erstrecken sich flache Sandstrände, an denen die klaren türkisblauen Wellen fast kitschig schön an Land spülen. Die Ostküste hingegen ist von Steilküsten geprägt, die dicht bewachsen sind und an denen ich nur wenige Möglichkeiten finde, direkt ans Wasser zu kommen.

Aufgrund dieser Gesteinszusammensetzung haben sich auch auf Miyako-Jima zahlreiche Kalksteinhöhlen gebildet. Eine Höhle ist zur Besichtigung freigegeben. Sie ist nicht so groß wie die Minamidaito-Höhle, aber nicht weniger beeindruckend. Außerdem scheint diese Höhle der ideale Aufbewahrungsort für unzählige Varianten von Sake-Flaschen unterschiedlichen Alters zu sein. Der wirkliche Grund der Lagerung bleibt mir jedoch leider verschlossen.

Eine weitere alte Höhle, die durch die jahrelange Überflutung mit Meerwasser entstanden ist, ist Tori-ike. Irgendwann stürzte die Decke der Höhle ein und hinterließ zwei Wasserbecken, die heute über eine natürliche Brücke überquert werden können. Die Becken haben einen Durchmesser von 55 und 75 Metern und sind jeweils etwa 25 Meter tief. Der Wasserstand schwankt in den Becken je nach Ebbe und Flut.

An einigen Strandabschnitten liegen riesige Felsbrocken, fast wie Kunstwerke angeordnet. Der größte von ihnen, der Obi-Iwa, mit einer stattlichen Höhe von 12,5 Metern und einem Umfang von fast 60 Metern, befindet sich oben an einem Steilhang von Shimajima.

Diese Felsblöcke wurden bei einer Flutkatastrophe am 10. März 1771 an diese Stelle geschwemmt, und es übersteigt meine Vorstellungskraft zu begreifen, welch gewaltige Kraft des Wassers dazu nötig war. Der damalige Ort wurde völlig zerstört. Heute ist dieser Platz ein wichtiger Ort, an dem die Menschen für die Sicherheit der Frauen und Familien beten.
Die vielen kleineren Steine wurden einfach für den Bau des Flughafens auf der Insel verwendet.

Religion

An einem weiteren Tag auf Miyakojima versuche ich, mich mit dem Glauben hier auseinanderzusetzen.
Wie man an der Geschichte des vom Tsunami an Land gespülten Obi-Iwa sehen kann, werden auch solche Naturgewalten schnell den Göttern zugeschrieben und in einen Glaubenskult eingebunden.
Neben Buddhismus und Shintoismus gibt es auf Okinawa und wohl vor allem auf Miyakojiima die indigene Religion der Ryūkyū-Menschen, welche meines Wissens dem Schamanismus sehr nahe steht.

Diese wird bis heute praktiziert und weist Parallelen zu Einflüssen von anderen südost- und ostasiatischen Religionen auf, beispielsweise in der starken Betonung des Ahnenkultes.
Träger der spirituellen Autorität sind im Gegensatz zum japanischen Shintō Frauen, die als Priesterinnen (巫女 oder 祝女, nuuru) die spirituellen Zeremonien der Familien anleiten und in ihrer institutionalisierten Rolle als Hohepriesterinnen (聞得大君, chifi-ufujin) am Hofe Shuri das höchste spirituelle Amt begleiten. Noch heute arbeiten viele Frauen als schamanische Seherinnen (ユタ, yuta),

So mache ich mich auf den Weg zu einigen Schreinen und dem Museum, um vielleicht einen weiteren Eindruck zu bekommen.

Im Museum erfahre ich etwas über das Ritual Hajichi (Nadelstich). In alten Zeiten, als Okinawa zum Königreich Ryūkyū gehörte, war es Brauch, Frauenhände zu tätowieren. In Miyako wurden die Tätowierungen von jungen Mädchen im Alter von 7 oder 8 bis 13 oder 14 Jahren gestochen. Die Muster der Hajichi von Miyako waren vielfältig und erinnern mich ein wenig an Runen. Teilweise finden sich diese Muster als Webmuster in den Kimonostoffen hier wieder. Je nach Muster stehen einige vielleicht für die Wünsche der Eltern, andere sind wichtige Symbole, die den Ahnen und Göttern nach dem Tod gezeigt werden, oder sie stehen für den Schutz vor Bösem oder bösen Geistern.

Außerdem finde ich im Museum und später auf der Nachbarinsel Kurimajima Spuren der hier einheimischen indigenen Religion.
Auf Kurimajima lese ich auf einer Tafel, dass es über die ganze Insel verteilt – und die ist wirklich nicht groß – unzählige Gebetsstätten geben soll, die, wie ich finde, eher an eine Art Ritualstätte erinnern.
Im Museum von Miyakojima werden einige Utaki und ihre Zugehörigkeit zu den verschiedenen Göttern beschrieben.

Ein Utaki ist ein natürlicher, heiliger Ort, an dem Menschen Rituale durchführen. Seit der frühesten Zeit der Ryūkyū-Inseln bis heute finden hier religiöse Handlungen und Ahnenverehrung statt.

Diese Rituale stehen im Zusammenhang mit Jahresfesten, ähnlich unserem Erntedank, Gebeten zum Jahresanfang, Geburtenfeiern, sicherer Schifffahrt und Schutz vor Naturkatastrophen, Krankheiten und vielem mehr. Ein Ritual wird beschrieben, das die Grenze zwischen Land und Meer markiert und so gegen Flutwellen wirken soll. Und wahrscheinlich noch einige Themen mehr.

Ich finde auch einen Ritualplatz, der zwei Wasserbecken enthält, die vermutlich bei entsprechender Witterung von einem Wasserfall gespeist werden. Auf den dazugehörigen Bildern sind Frauen beim Wäschewaschen und Kinder bei der Körperpflege zu sehen, aber da sich in der Nähe dieser Becken auch ein Räucherstein befindet, vermute ich, dass es sich hier nicht nur um alltägliche Reinigungsrituale handelt.

Spannend und erschreckend war für mich, dass ich meine Pirsch durch das Gelände 3 x abbrechen musste, da ich von großen Spinnennetzen mit riesigen Spinnen darin aufgehalten wurde und einmal eine fast 1,5 Meter lange Schlange meinen Weg kreuzte, um schnell im Gebüsch zu verschwinden.
Das war dann für mich das Zeichen, diesen regnerischen und stürmischen Tag zu beenden.

Miyako-jima und Deutschland

Es war einmal ein Seefahrer, R.J. Robertsen, der im Jahre 1873 mit seinem Handelsschiff auf dem Weg nach China in einen schweren Taifun geriet und mit seiner Besatzung unterging.
Er wurde an die Küste von Miyakojima gespült und von den Inselbewohnern gerettet.
Er blieb hier etwa einen Monat, bis alle wieder zu Kräften gekommen waren, und die Einwohner stellten ihm ein anderes Schiff zur Verfügung, damit er seine Reise fortsetzen konnte. Robertsen war von der Gastfreundschaft hier total beeindruckt. Da sie nicht wie die Japaner auf dem Boden sitzen konnten, wurde extra Stühle für sie angefertigt. Nach seiner Heimkehr berichtete er begeistert dem deutschen Kaiser davon. Dieser ließ zum Dank hier ein Denkmal errichten.

Aufgrund dieser Vorgeschichte wurde 1995 im Stadtteil Ueno ein Deutscher Themenpark eröffnet.
Neben verschiedenen Attraktionen wie einem Kinderhaus, Originalstücken der Berliner Mauer und einem Palast im Stil des 18. Jahrhunderts ragt auch eine mittelalterliche deutsche Burg in den subtropischen Himmel: Die am Mittelrhein gelegene Marksburg wurde, nachdem ihr Besitzer einem Verkauf, Abtransport und Wiederaufbau auf Miyakojima nicht zustimmte, Ende der 1990er Jahre mit Unterstützung der Stadt originalgetreu nachgebaut und erhebt sich nun über dem Korallenriff von Miyakojima.
Mich persönlich erinnert der Themenpark ein wenig an den Europa Park in Rust. Ich wünsche mir allerdings, dass die deutsch-japanischen Beziehungen noch etwas mehr gepflegt werden, im Gegensatz zu den hier entstandenen Bauwerke. Der Palast und die Marksburg sind leider teilweise schon in einem baufälligen Zustand. Trotzdem ist es interessant und spannend, in Japan durch ein deutsches Museum zu gehen.

Als jemand, der sich für die Kultur Japans interessiert, werde ich oft nach der Kultur in Deutschland gefragt und stelle dann immer etwas verlegen fest, dass ich nicht so viel erzählen kann. Meistens werden wir auf Bayern München, das Oktoberfest, Bier, deutsche Kartoffeln, Würstchen und Hitler reduziert. Oh, und Beethoven natürlich.

Heart of the Ryukus

Am Nachmittag durfte ich mich dann wieder der regionalen Kultur zuwenden und eine Musik- und Tanzveranstaltung besuchen, bei der die Tänze der Inseln präsentiert wurden.

So schnell vergingen die 8 Tage auf Miyako-jima. Eine spannende Insel zwischen alter Tradition und Moderne, zwischen Touristenattraktionen, einsamen ruhigen Stränden mit klarem türkisblauem Wasser und versteckten alten religiösen Stätten der Ureinwohner.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich alle Informationen, die ich hier aufgeschrieben habe, richtig verstanden und übersetzt habe und würde gerne noch weiter und tiefer in die jeweiligen Themen eintauchen.
Aber jetzt geht die Reise erst einmal weiter.