Japan 2017

05.11.2017

An meinem ersten Tag in Tokyo habe ich mich, nach einer harten Futon Nacht, einfach durch die Straßen treiben lassen. Ich bin von Yotsuya Richtung Shinjuku, am nationalen Noh-Theater vorbei zum Meiji Schrein. Von da bin ich weiter nach Shibuya um von da meine Reise nach Hadano zum Taiko Training fortzusetzen.

In Hadano angekommen werde ich von Teru, Nene und Ai-chan am Bahnhof abgeholt und begrüßt. „Hallooo“ sprudelt es denn ganzen Abend und nächsten Morgen aus Ai-chans Mund. Wir fahren zuerst in das Haus von Kanako-Sans Mutter, wo noch Yu-kun schläft und anschließend mit der ganzen Familie zum Training. Das Training ist wieder ganz anders aufgebaut, als ich es von Hachijo-jima kenne und ähnelt eher den Ablauf meines eigenen Taiko Training. Es beginnt mit einem gemeinsamen Eintrommeln, und anschließendem Basistraining nach Metronom über einen längeren Zeitraum. Danach wird die Reihenfolge des Solotraining festgelegt. Manche der Mitglieder üben Honbataki, manche Yukichi und andere Shabataki. Ich bin Trommler Nummer fünf und nachdem was vorgelegt wird geht mir sprichwörtlich der Arsch auf Grundeis. Aber aus der Nummer komme ich nicht mehr raus und gebe mein bestes. Bekomme auch höflichen Applaus. „スゴイ“ Als wir damit durch sind bekommt jeder etwas Zeit das zu üben, was ihm wichtig ist, wobei er sich seinen Grundrhythmus Spieler aussuchen kann. Keine Frage will jeder von der neuen Langnase begleitet werden und ich komme erneut ins schwitzen. Aber es macht tierisch Spaß. Zum Abschluss wird noch eine Übung gemeinsam geschlagen, die ich zum Glück bereits aus Kanako-Sans Blog kenne und auch schon in meinen Workshops durchgeführt habe. Ich bin also auf der sicheren Seite.
Nach dem Training sind alle Mitglieder zum Essen eingeladen. Kanako-San ist eine hervorragende Köchin und tischt ein großes Menü auf.
Der Tag endet mit viel Sake und ich freue mich auf den Sonntag, wo das Training in Minato-ku stattfindet.

06.11.2017

Am Morgen besichtige ich den Ueno-Park Tokyo und begebe mich dann weiter auf eine Reise in die Berge nordwestlich von Tokyo.
Nach einer 2,5 stündigen Zugfahrt bin ich gut in Mount Mitakesan angekommen. Bereits die paar Meter vom Bus bis zur Seilbahn waren steil und anstrengend… …dies setzte sich dann im Ort selber fort. Straßensteigungen von bis zu 20% sind keine Seltenheit. Der Tempel selbst gehört wohl eher in die Luxus Kategorie.

Sofern morgen das Wetter so gut ist wie heute, plane ich meine erste größere Wanderung dafür ein. Eine Bären Warnglocke befindet sich schon an meinem Gepäck.

07.11.2017

Ich wache auf und die Sonne beleuchtet die roten Ahornbäume. Der ideale Tag um meine erste geplante Wanderung in Angriff zu nehmen.
Nach den traditionell japanischen Frühstück breche ich direkt auf, fahre mit der Seilbahn den Berg wieder hinunter und fünf Zug Stationen Richtung Tokyo zurück.
Von Hinatawada startet die Tour, insgesamt knapp 9 Kilometer bei einem Anstieg von 905 m auf den Berg Hinode-yama.

Die Tour erinnert mich zu Beginn etwas an die schwierigen verwurzelten Wege des Kumano Kodo vom letzten Jahr.
In diesem Jahr allerdings bin ich allein unterwegs, nur begleitet vom kontinuierlichen Geläute meiner kleinen Bären Glocke. Ein wenig fühle ich mich so, als ob ich die Bären damit erst auf mich aufmerksam mache.
Nach einem kräftigen Aufstieg gelange ich an ein sonniges Plätzchen und beschließe hier kurz zu rasten, mein Hemd zu trocknen und einen Apfel zu essen. Kaum ist letzterer verspeist sehe ich doch tatsächlich einen japanischen Kragenbär durch die Böschung gemütlich auf mich zu schlendern. Gut möglich dass er auf der Suche meiner Apfelreste ist.
Nicht wenig erschrocken, aber dennoch ruhig mache ich mich zügig wieder auf den Weg. Auf eine nähere unkalkulierbare Begegnung lege ich keinen Wert.
Kurz vor dem Berggipfel will der Wanderweg es noch einmal richtig wissen und steile aus Steinen gesetzte Stufen sind zu erklimmen. Oben angekommen wird die Mühe trotz der etwas diesigen Sicht belohnt. Nach einer Pause geht es gemächlich weiter zu Mount Mitakesan und vor dem Abendessen nutze ich wieder ausdauernd das heiße Bad.

08.11.2017

Nach dem Frühstück beginne ich meine zweite geplante Wanderung zu den beiden Wasserfällen hier in der Gegend.
Vorher besuche ich allerdings noch in Ruhe den Schrein Musashi Mitake Jinja, den ich gestern nur kurz besichtigt habe. Heute habe ich dafür Glück einer shintoistischen Zeremonie beiwohnen zu können. Eine neue Steintafel wird eingeweiht. Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei um besondere Gönner des Schreins handelt.

Danach begebe ich mich auf den Abstieg zum ersten Wasserfall. Ich bin froh, dass ich dem Weg in dieser Richtung folge und hier nicht bergauf klettern muss. Selbst der Abstieg bringt mich ins schwitzen. Der Wasserfall ist nicht groß, hat aber dennoch seinen Reiz. Über Metall Treppen geht es wieder bergauf zu besonders großen Zedern und dem Rockgarden. Große Steine durch die sich der Lauf des Flusses windet. Ich fühle mich etwas an den Schwarzwald erinnert.
Nach einer Weile erreiche ich den zweiten Wasserfall, welcher hier für Takigyo genutzt wird. Eine Meditation durch ein Bad am frühen Morgen unter dem Wasserfall. Ein sehr beeindruckender Ort. Hier würde der Weg nun bereits wieder zurück nach Mitakesan gehen, da es aber noch früh ist und der Regen etwas nachgelassen hat, entscheide ich mich kurzfristig einen Weg Richtung Mount Nabewariyama einzuschlagen und weiter zum Gipfel Okunoin, auf den sich auch ein kleiner Schrein befindet.

Da ich ab nun allein dem Weg bergauf gehe, befestige ich zur Sicherheit wieder meine Glocke und bimmel so dem Gipfel entgegen. Mit der Karte von OpenStreetMap kann man sich eigentlich nicht verlaufen, wenn denn der Wanderweg immer eindeutig als Weg zu erkennen wäre. Ich kletter zwischen riesigen Zedern und ihren Wurzeln bergauf und bergab. Am Schrein werfe ich etwas Kleingeld ein und bitte sicher den Weg zurück zu finden und nach Möglichkeit nicht auf den vielen Blättern und Wurzeln auszurutschen und zu stolpern. Mein Handy hat hier nämlich keinen Empfang.
Als ich verschwitzt in Mitakesan ankomme gönne ich mir vor meinem heißen Bad erst noch eine große Schüssel Soba.

09.11.2017

In dem Shukubo, in dem ich die letzten zwei Nächte übernachtet habe, wird unter anderem die Teilnahme an Takigyo angeboten. Ich hatte mich beim Einchecken dafür interessiert, aber außer „Maybe“ keine weiterführende Antwort erhalten.
Meine Zeit war nun fast vorbei, ich saß gemütlich beim letzten Abendessen, als die sehr nette Bedienung mich ansprach, ich möge nach dem Essen bitte sitzen bleiben, ich bekäme noch genauere Informationen über Takigyo. Nach einer Weile wurde mir ein kopierter Zettel mit Informationen und eine Plastiktüte mit Handtuch, Stirnband und Lendenschutz überreicht. Verblüfft schaute ich mir den Inhalt an und am nächsten Morgen um halb sieben sollte die Wanderung zum Ayahiro Wasserfall beginnen.

Wasserfallhöhe 10 Meter, Wassertemperatur 5°C Takigyo ist eine Askese, die gefährlich ist, wenn sie nachlässig gemacht wird, so müssen wir uns
strikt an die Anweisungen des Shukubo Managers halten. Zuerst mussten wir schweigend, die zwei Kilometer Wanderung durch den Wald zum Wasserfall
hinter uns bringen. Es war uns verboten, dabei zurück zu schauen. Am Wasserfall angekommen, entledigen wir uns unserer Kleidung und banden Stirnband und Lendenschutz um. Wir absolvieren verschiedene Übungen. „Torifune“ ist eine Bewegung wie ein Boot zu rudern und man ruft „Eu“ und „Oh“ im Stehen mit einem Bein nach vorne gestellt. „Otakebi“ ist die Bewegung des Namenschreiens. Mit diesen Bewegungen in Shinto-Formen wärmen wir uns, quasi nackt im
Wald vor dem Wasserfall stehend, auf. Dann begann der Takigyo, wir mussten einer nach dem anderen vor den Wasserfall treten, uns nass spritzen und dann unter den Wasserfall stellen. Unsere Hände sind währenddessen verschränkt, als würden wir in den Handflächen unser Herz und unsere Seele aufbewahren.
Aufgrund des unerwartet hohen Drucks sollten wir weiterhin den Namen des Gottes „Haraedo-no-Okami“ singen. Wir mussten uns Reih um drei Mal für 10 Sekunden lang vom kalten Wasser treffen lassen. Es klingt kurz, aber unter dem Wasserfall ist diese Zeit wirklich hart. Danach abtrocknen, das Handtuch war wie Feuer auf der empfindlichen Haut, und zum Schluss noch einmal die Aufwärmübungen, bevor wir wieder in unserer Kleidung Schutz und Wärme suchen konnten.
Nachdem wir zurück gewandert waren, gab es noch eine kleine Zeremonie mit Taiko und Mantren und dann endlich Frühstück.

Nachdem ich aus dem Shukubo ausgecheckt hatte fuhr ich wieder mit dem Zug Richtung Tokyo und weiter auf Tokyos Hausberg. Den Mount Takao.
Im Gegensatz zur einsamen Wasserfall Zeremonie steppte hier der japanische Tourismus. Die Wanderwege waren, wegen des schönen Wetters voll und unzählige Souvenirstände boten ihre Waren feil. Auf dem Gipfel angekommen gab es die typischen Japan Motive zu fotografieren. Tokyo aus der Vogelperspektive zu Füßen des Berges, den Mount Fuji schwach im Dunst am Horizont, wahlweise als Selfie und rote Ahornbäume. Eine sehr typische, aber angenehme Atmosphäre, die ich in der warmen Sonne genoss. Beim Abstieg kam ich am Tempel und Schreinen vorbei, dessen Angebote auch reichlich genutzt wurden.
Zum Abschluss gönnte ich mir noch ein paar aufgespießte Reis Kuchen und fuhr wieder zu meiner Unterkunft nach Yotsuya.

10.11.2017

Gleich nach dem Aufwachen mache ich mich auf nach Kamakura. Auf dem Weg zum Bahnhof eine kleine Pause in einem Café, wo man recht günstig frühstücken kann und dann stecke ich auch schon in einer klischeehaft voll gestopften U-Bahn zum Bahnhof Tokyo. Die Orientierung auf den Bahnhöfen um den richtigen Anschlusszug zu finden, erinnert mich etwas an ein Strategiespiel, aber immerhin bin ich bis jetzt an jedem Ziel irgendwie angekommen. Der Zug leert sich zwar nach dem Bahnhof Yokohama sehr schnell, allerdings haben mich spätestens in Kamakura die Massen wieder.


Ich besuche zuerst den Haupttempel der Rinzai Sekte, den Engakuji. Ein wirklich sehr schöner Komplex, den ich gemütlich durchstreife und in diesem Urlaub meinen ersten Machatee genieße. Als nächstes Ziel steuer ich, natürlich wie so viele Touristen, den großen Buddha im Kōtoku-in an. Ich entschließe mich allerdings zu Fuß durch den Genjiyama Park zu laufen. Auf meiner Karte sieht er nicht so spektakulär aus, allerdings stellt sich bald heraus, dass ich hier eine, wenn auch kleinere, Wanderung vor mir habe. Wieder über alle möglichen Wurzeln auf und ab. Für manch kleinen Parkbesucher wird das eine Klettertour.
Im Kōtoku-in halte ich mich nicht so lang auf. Der Buddha ist schnell besichtigt und mich zieht es weiter zum Yokohama Strand. Eigentlich wollte ich noch das
Onsen von Kamakura besuchen, aber dies hatte leider zu.


Zurück in Tokyo bummel ich noch etwas durch die Straßen von Shinjuku und Kabukichō, bevor ich den Tag beende und mich vom vielen Laufen erhole.

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