Japan 2018

10.11.2018

Die erste Nacht im Ryokan kann ich durch den Straßenlärm, welcher auch in der Nacht nicht wirklich nachgelassen hat, nicht gerade als entspannt bezeichnen. Und auch die Zeit des üppigen japanischen Frühstück scheint erst einmal vorbei zu sein. Da ich heute noch einmal einen Tag mit Regina und ihrer Familie verbringen kann, frühstücke ich auf dem Bahnhof in einem Café und fahre dann weiter nach Fujisawa. Ab dort steigen wir zusammen in den Zug um einen Tag in Kamakura zu genießen. Nachdem ich im letzten Jahr ausgiebig den Engaku-ji besichtigt habe, fahren wir an diesem vorbei, schlendern durch volle Touristen Einkaufsstraßen und stehen dann vor dem riesigen Tempelkomplex in welchem sich auch der Tsurugaoka Hachiman-gū befindet. Es wimmelt vor Touristen, Menschenmassen schauen einer Shinto-Hochzeit zu und es fällt schwer, die Atmosphäre diese Ortes in Ruhe zu genießen.

Wir verlassen das Gelände aus einem Hintertor und gehen weiter zum Jufuku-ji. Ältere Frauen sitzen zeichnend und malend vor diesem und hier ist es bereits etwas entspannter. Allerdings nur für einen Moment, den wir wollen natürlich noch weiter zum Kōtoku-in, um die große Buddha Statue zu besuchen. Hier schlägt die Welle an Touristen wieder über uns zusammen. Als letzter Tempelkomplex besichtigen wir den Hasedera. Im letzten Jahr bin ich nur bis zu dessen Eingang und nicht hinein gegangen. Mir hatte damals die Zeit gefehlt. Heute schlendern wir, nachdem wir im Tempel Restaurant gegessen haben, ausgiebig durch alle Gebäude. Unter anderem das Kannon Museum und die Benzaiten Grotte. Ausklingen lassen wir den Tag am Pazifik und genießen noch einen letzten Kaffee in einem wirklich wunderbaren Café, bevor wir mit der historischen Enoden Straßenbahn zurück nach Fujisawa fahren.

Dort trennen sich dann unsere Wege endgültig innerhalb dieser Japan-Reise. Ich werde noch den morgigen Tag in Odawara und Hakone verbringen.

11.11.2018

Mein heutiger Ausflug ist von Odawara mit dem Bus an den Ashi-See geplant. Bus fahren ist ohne Sprachkenntnisse etwas komplizierter als Zug fahren. Und intuitiv sitze ich natürlich im falschen Bus. Er fährt zwar ein Stück in meine geplante Richtung und wiegt mich so in Sicherheit, doch plötzlich weicht er von meiner Route ab. Also raus aus dem Bus und versuchen wieder auf die richtige Strecke zu kommen. Obendrein sind die Busse heute voll, wie die Züge in Tokios Rushhour. Aber ich komme doch an meinem Ziel an, schlender über die Seepromenade, schüttel meinen Kopf bei der Betrachtung der Piratenschiffe und gehe schnell weiter zum Hakone Schrein. Eine riesige Menschenmenge steht Schlange um beten zu können.

Mein nächstes Ziel ist der Komagatake, ein etwa 1320 Meter hoher Berg, mit seinen Shintoschreinen. Wenn das Wetter gut ist, hat man von hier oben einen herrlichen Blick auf den Kratersee und vor allem auf den Mt. Fuji. Und ich habe ein bisschen Glück. Das Wetter zieht zwar zu, aber der Fuji-san ist höher als die Wolken Kette und steckt so immer wieder einmal seine Schnee bedeckte Spitze in den blauen Himmel. Es ist wirklich nicht mit Worten zu beschreiben, welch gigantischen Eindruck dieser, immerhin schon noch weit entfernte, ehrfürchtige Berg auf mich und auch andere ausübt. Alle Japaner um mich flippen aus, aus vielen Mündern ist ein „SUGOI“ zuhören. Ich kann einfach nicht meinen Blick abwenden, Gänsehaut, Kameras klicken ohne Ende, obwohl die Qualität meines Smartphones bei diesem entfernten Motiv an seine Grenzen kommt. Auch die Schreine in dieser kargen Umgebung haben ihren Reiz. Ich merke, wie sich die Aufregung etwas legt, wieder bin ich vor lauter Begeisterung den Rundweg falsch herum gelaufen und betrete somit den Schrein, ohne Respekt verkündende Verbeugung am Torii.

Auf dem Rückweg finde ich den richtigen Bus nach Odawara quasi sofort. Ich hätte auf die bestätigende Frage an den Busfahrer verzichten sollen, welcher mir nun versucht hilflos irgendetwas zu erklären, um mir klar zu machen, dass es der falsche Bus ist. Aufgeregt sucht er jemanden der Englisch sprechen kann, ohne zu wissen, dass mir das auch nicht weiter hilft. Verzweifelt lässt er mich dann nach einer Weile dennoch einsteigen. Vorn steht Odawara drauf, da will ich hin, alles andere ist mir egal. Ich weiß nicht, ob es am Sonntag liegt, es gab wohl auch einen Unfall – schließlich benötigt mein Bus für die ca. 20 Kilometer über 2,5 Stunden. Streckenweise im Schritttempo. Eigentlich wollte ich mir am Nachmittag noch etwas Odawara anschauen, aber so wird das nix. Eh ich zurück bin beginnt schon die Dämmerung. Ich schaffe es noch die Burg mit etwas Tageslicht zu fotografieren und dann ist es dunkel.

Also bummel ich nur noch etwas durch die Straßen, die ich eh schon kenne und suche ein Tempura, Soba Restaurant für die erste und letzte Mahlzeit heute. Yuji-san kontaktiert mich und wir klären wann wir uns morgen treffen werden. Hoffentlich wird die Reise morgen zu ihm problemloser als mein heutiger Ausflug, denke ich. Aber es wird noch schlimmer kommen.

12.11.2018 und 13.11.2018

Die letzten beiden Tage war ich in Ome, Tokyo bei Yuji-san. Der gestrige Tag war chaotisch. Die Anreise von Odawara verlief nicht problemlos und das Hotel vorort hat die Reservierung verbummelt. Dafür war das Taikotraining, wie ich es erwartet hatte, sehr gut. Yuji-san hat mir ein neues Stück an der Okedo versucht bei zu bringen und er hätte gern, dass ich dieses Stück einmal mit ihm zusammenspiele. Da erwartet mich viel Arbeit. Ein Großteil aus Yuji-sans Gruppe sind Kinder im Alter von 8 bis 20 Jahren. Die mussten sich alle, um in Übung zu bleiben, auf Englisch vorstellen. Es war ein sehr lustiger Abend.

Den nächsten Morgen war ich, wie Peter es wohl in der Situation auch gemacht hätte, bei McDonald’s zum Frühstück. Mehr hatte der Stadtteil in dem ich übernachtet habe, leider nicht zu bieten. Anschließend hat mir Yuji-san einen wirklich sehr schönen Tempel gezeigt und wir waren zusammen in Sawai und der dortigen Sawanoi – Ozawa brewery. Meine Japan-Reise im letzten Jahr hat hier ihren Abschluss gefunden und es war schön, diesen Ort in diesem Jahr nochmals besuchen zu können.

Am Nachmittag hatten wir Odaiko Unterricht und haben später dem Sohn von Ito-san mit zwei jungen Frauen beim Training zugeschaut. Eine wirklich verrückte Truppe. Zum Abschluss waren wir, wie im letzten Jahr, wieder ausgiebig im Onsen. Es ist wirklich schade, dass es diese Kultur in Deutschland so nicht gibt. Und danach noch ausgiebiger Essen und Trinken. Eine schöne Zeit…

14.11.2018

Heute Abreise aus Ōme und Fahrt nach Tokyo Asakusa. Problemlose Fahrt, freundlicher Empfang selbst vor derCheck-in Zeit. Ich kann problemlos mein Gepäck im Ryokan lassen und werde es später bereits auf meinem Zimmer vorfinden. Nur mit den Rucksack beladen mache ich mich auf dem Weg durch die Stadt. Wenn ich schon in Asakusa wohne, muss ich natürlich auch am ältesten Tempel Tokyos vorbei, der sich direkt um die Ecke befindet. Hier muss man immer mit sehr vielen Touristen rechnen, selbst Tempel Benimmregeln sind hier vorzufinden. Ich halte mich aber nicht lang hier auf, sondern begebe mich auf den Weg, entlang des Sumido Flusses, durch den Yokoami-chō Park und den Kyū Yasuda Garden zur Ryōgoku Kokugikan Sumo Hall. Diese hat zwar geschlossen, wenn keine Veranstaltungen stattfinden, aber es gibt ein winziges Museum und natürlich einen Touristen Shop der offen hat. Nächstes Ziel, da direkt daneben, ist das Edo-Tokyo Museum.

Extrem umfangreich sind die Inhalte und Ausstellungen. Will man sich wirklich alles bis ins Detail durchlesen oder per Audioguide anhören, benötigt man schon fast einen kompletten Tag, allein für dieses Museum. Bevor ich entgültig in meinem Ryokan einchecke, beschließe ich noch auf den Tokyo Skytree zu fahren, eine teure Angelegenheit um einen Sonnenuntergang über Tokyo zu betrachten, die Aussicht ist aber wirklich beeindruckend. Man darf nur keine Scheu vor extremen Höhen und vielen Menschen haben.

In meiner Unterkunft angekommen, genieße ich als erstes ein heißes Bad und mache es mir dann, während ich diese Zeilen schreibe, im Yukata und einem Sake auf meinem Zimmer gemütlich.

15.11.2018

Der letzte Tag in Japan beginnt – überraschend mit einem sehr guten Frühstück. Da ich nicht den ganzen Tag in der Großstadt verbringen möchte, beschließe ich nach Takahatafudo zufahren. In der Haupthalle des Tempels steht eine 1100 kg schwere Fudo Statue aus der Heian-Zeit (794-1185). Jeden Tag finden in dieser Halle mehrmals Feuer-Zeremonien (Homa) statt. Da der Fudo für Peter eine besondere Bedeutung hatte ( jap. 不動明王, Fudō Myōō, eine Gottheit bzw. „Mantrakönig“ des Buddhismus. Er gilt als „Schützer der Lehre“. Sein Abbild findet man häufig vor Tempeln, um Feinde abzuwehren. Er wird oft als drei äugige, Zähne fletschendende Gestalt mit sechs Armen dargestellt und ist mit einem Schwert, einem Vajra -Donnerkeil, einem Beil und einer Schlinge bewaffnet.), denke ich, auch für ihn wäre diese Zeremonie etwas besonderes gewesen. Außerdem ist heute der 15.11. – ein Tag an dem das Kinderfest Shichi-go-san stattfindet. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Shichi-go-san Ich bin rechtzeitig am Tempel, begehe die Reinigungszeremonien und stelle fest, dass ich ohne japanisch Kenntnisse, leider überfordert bin, das System der Holztafeln zu verstehen. Also besuche ich erst einmal so die Haupthalle, spende ein paar Yen, bedanke mich, dass ich auch dieses Jahr wieder nach Japan reisen konnte und beobachte erst einmal das weitere Geschehen. Von draußen ist die Fudo Statue leider nicht einzusehen. Kurz vor der Zeremonie wird die Halle von Japanern gestürmt, welche ihre Schuhe in Tüten verstauen und sich in der Halle verteilen. Ganz viele Familien von den feiernden Kindern sind anwesend. Ich bin noch unschlüssig, ob ich als einziger Ausländer mich da dazu gesellen soll und überhaupt darf. Aber dann gibt es einen günstigen Moment, also Schuhe aus und auch in eine Plastiktüte und schon sitze ich im Seiza, der traditionellen Sitzhaltung in der Halle. Die Stimmung ist atemberaubend und ich habe zu viel Respekt vor dieser Situation um Fotos zu machen. Im Hintergrund wird eine große Taiko geschlagen, Mönche singen ihre Mantren. Irgendwann werden, glaube ich, die Holzschilder bzw. die Namen der Bittsteller verlesen und dem Feuerübergeben. Mit den Rauch haben nun die Wünsche die Möglichkeit von den Göttern erfüllt zu werden. Ich habe Gänsehaut am ganzen Körper und Tränen in den Augen. Es ist egal, dass von mir kein Holz dabei ist, ich spüre dass die Bitten auch ohne erhört werden. Nach einer Weile stehen alle auf. Ein Japaner neben mir, der in Arbeitskleidung mit seinen Kollegen da zu sein scheint, gibt mir Zeichen, wie ich mich weiter verhalten soll. Er ist begeistern davon, das ich die ganze Zeit still in Seiza gesessen bin. Ich habe die Zeit gar nicht wahrgenommen, aber nun merke ich, dass das Laufen erst mal schwer fällt. Wir kommen an einem Mönch vorbei der unsere linke Hand segnet, wahrscheinlich ist dies das falsche Wort dafür, und wir laufen an den verschiedenen Statuen und dem Fudo vorbei. Vor jedem wird Geld gespendet und gebetet. Ich sitze wieder auf meinen Platz und bin dem Japaner, der mich in seine Fittiche genommen hat, dankbar. Später treffe ich ihn noch einmal an einem Verkaufsstand und er erzählt seinen Kollegen von meinen Sitzfähigkeiten und packt meine Hände voll mit kostenlosen Reiscrackern die zum probieren aus liegen. Später treffe ich noch auf Japaner, die Ausländern nicht ganz so aufgeschlossen sind. Aber vorher bummel ich weiter über das Tempelgelände und versuche zu verstehen, was ich gerade erlebt habe. Es gibt auf dem Gelände eine kurze Version des 88er Pilgerweges. Auf einem Rundweg befinden sich 88 Statuen. Ich merke wieder, dass ich den Weg wieder rückwärts laufe, aber egal. Es muss im Leben auch Wege geben, die nicht immer nur nach vorn gehen.

Danach fahre ich zurück nach Tokyo, aufgrund der geschickten Verbindung plane ich einen kurzen Stopp in Shibuya. Aber nach dem 3. Besuch ist die Kreuzung nicht mehr ganz so beeindruckend und etwas seltsame Fotomotive ziehen ihre Aufmerksamkeit an. Danach fahre ich zurück nach Asakusa. Auf der Zugfahrt etwas weniger Ausländerfreundlichkeit. Die Bahn ist voll, Leute quetschen sich zusammen und dennoch bleibt für eine längere Zeit der Sitzplatz neben mir einfach frei. Zum Glück habe ich über dieses Phänomen vor kurzen einen Bericht gelesen. Auch später im Bad habe ich das Gefühl, der störende Ausländer zu sein. Aber egal, die RainbowBridge habe ich in diesem Jahr von meinen Programm gestrichen, und nun lasse ich mich noch etwas durch die Touristenmassen treiben, koste violettes Süßkartoffeleis und Teigwaren mit roter Bohnenpaste gefüllt, kaufe noch ein paar letzte Kleinigkeiten, esse in einem Ramenrestaurant zu Abend und genieße, auch wenn es den beiden Japanern nicht passt, in Ruhe mein letztes Bad.

16.11.2018

Rückreise nach Deutschland. Ich fahre mit Wehmut zurück. Es werden wieder viele Tage vergehen, bevor ich mich wieder eingelebt habe.