Japan 2018

04.11.2018

Auch wenn ich heute ein Hachijodaiko Event in Tokyo verpasst habe und sich meine Hände nach ein paar Stöcken sehnen, war es heute ein phantastischer Tag. Das Wetter hat sich heute morgen von der sonnigsten Seite gezeigt, so dass ich nach dem Frühstück mit meinem Auto direkt zum Mt. Hachijo-fuji aufgebrochen bin. Im letzten Jahr bin ich noch mit dem Fahrrad hoch und bin den letzten Aufstieg quasi auf allen Vieren gekrochen.

Heute mit den Luxus eines Autos sollte auch der Kraterrundwanderweg funktionieren. Die Stufen vom Parkplatz bis zum Kraterrand haben es durchaus in sich, da mir allerdings auf meinem Weg eine Schnecke begegnet, die das selbe Ziel zu haben scheint, schöpfe ich Mut. Nach einer halben Stunde Aufstieg habe ich mein erstes Ziel erreicht und spätestens der Ausblick nimmt mir den restlichen Atem.

Es ist einfach nicht in Worte zu fassen, wie mächtig der Krater wirkt und wie klein man sich ihm gegenüber fühlt. Nach einem Innehalten begebe ich mich auf den Rundweg. Er ist anspruchsvoll,Wanderschuhe wären hilfreich gewesen, aber auf diese habe ich aufgrund meiner bereits sehr schweren Tasche in diesem Jahr verzichtet. Der Weg ist stellen weise sehr zugewachsen, Matsch und rutschige Steine wechseln sich ab und dazwischen immer, leicht zu übersehen, tiefe Spalten die in den Abgrund führen, von dem Abgrund in den Krater und den Vulkanhang hinab, gar nicht zu reden. Alle paar Meter muss ich stehen bleiben, mache kleine Rundvideos, weil ein Bild allein, diesen ehrfürchtigen Anblick nicht wiedergeben kann…

.. Nach einer reichlichen Stunde bin ich einmal um den Krater herum und beginne den Abstieg in ihn hinein, um den dortigen Shintoschrein zu besuchen. Seid der gestrigen Lektüre von Peters Lieblingsbuch ist mir nun auch bewusst,das „Shin – to“ = „Weg des Geistes“ bedeutet. Ich bin sehr froh, diese Erfahrung heute erlebt haben zu dürfen. Und mir wird die Gefährlichkeit des Weges in Erinnerung bleiben. Der Rundweg ist wirklich nur bei stabiler Wetterlage zu empfehlen. Nicht vorzustellen, wenn etwa nach der Hälfte des Weges, sich schnell das Wetter ändert. Und das Wetter kann sich schnell auf Hachijojima ändern. Wie sagte Yoshio letztens: Wolken sind größer als eine kleine Insel. Gegenüber diesem Erlebnis ist der Rest des Tages kaum noch wert erwähnt zu werden.

Ich fahre noch einmal in die Inselteile Nakanogo und Kashitate, steige in ein Onsen, sitze am Meer und genieße die sich immer wieder, anders brechenden Wellen und habe doch noch für einen kurzen Moment Bachi in den Händen und stehe an einer Taiko. In Kashitate ist ein kleines Fest, die Taiko wurde auf die Straße gestellt und ich beobachte ein paar alte Leute beim Schlagen ihrer Rhythmen. Ich werde gefragt ob ich auch die Taiko schlagen möchte und nutze natürlich die Gelegenheit, auch wenn der alte Herr sicher davon ausgegangen ist, dass ich keine Ahnung habe. Selbst der Leuchtschwertträger vernachlässigt kurz seine wichtige Aufgabe um von mir ein Foto zu machen. Ich belasse es allerdings bei einer kurzen Vorstellung und fahre weiter ins Jersey Café um einen Eis-Gelee-Kaffee zu genießen, bevor ich mein Auto wieder abgeben muss. Den Abend werde ich gemütlich auf meinen Zimmer ausklingen lassen um mich wieder auf meinen morgigen nächsten Arbeitstag vorzubereiten.

05.11.2018

Montag, die Arbeitswoche hat begonnen. Da Yoshio in Tokyo ist, muss ich heute laufen. An sich ist das für mich kein Problem, nur was ist mit dem Wetter los? Die Sonne scheint, es ist schwül und wir haben locker 24°C. Nach der halben Stunde Fußmarsch bin ich nass geschwitzt. In der Einrichtung werde ich wie immer freundlich begrüßt, teils auf japanisch, teils auf englisch, manche versuchen es auf deutsch. Ich warte bis die Morgenbesprechung fertig ist, dann wird das Morgen-Lied gemeinsam gesungen und mein alter Freund Akio-san wünscht mich wieder in die Gartengruppe. Inzwischen habe ich Routine, Fahrzeug beladen, man drückt mir Handschuhe und Unterarmschützer in die Hand und wir fahren los. Worin ich noch keine Routine habe, ich habe mein Trinken vergessen. Das Wetter ist heute so gut, das man freie Sicht auf die benachbarten Inseln hat. Leider ist das Smartphone zum schlecht um das in Bild festzuhalten. Und es ist Arbeitszeit. Allerdings heißt es auf der Insel auch, wenn man Aogashima gut sehen kann, gibt es schlechtes Wetter. Naja, heute ist es noch gut und das Mittagessen wieder sehr lecker. Nachdem gemeinsamen Zähne putzen heißt es wieder die Räume putzen. Heute muss ich nicht auf den Knien kriechen, sondern verschmiere mit meinen Läppchen die Fenster und Handläufe. Danach heißt es wieder Beethoven üben. Heute muss ich etwas eingreifen und gebe vorsichtig den Hinweis, das es“stehlen“ und nicht „stihlen“, „“Reben“und nicht „Riben“ ausgesprochen wird. Aber sonst klingt die Aussprache schon gut. Mir wird beim Singen bewusst, wie schwierig es ist im Deutschen ein R zu beschreiben. Wahrscheinlich ist es leichter es mit der Zungenspitze zu rollen, als im Rachen. Nach den Feierabend gehe ich schnell noch etwas einkaufen und stelle wieder fest, wie teuer Obst in Japan ist. Den Abend verbringen ich mit dem Abenteuer Wäsche waschen.

06.11.2018

Mein heutiger Arbeitstag verlief so routiniert, als hätte ich schon lang nix anderes gemacht. Nur meine fehlenden Sprachkenntnisse stören hin und wieder den normalen Ablauf. Während der Gartenarbeit funktioniert alles reibungslos, aber beim gemeinsamen Mittagessen, wäre es schön, wenn ich mich an verschiedenen Gesprächen beteiligen könnte. Der Nachmittag würde im bürokratischen Deutschland groß unter dem Begriff „Teilhabe“ verkauft werden. Hier ist es normaler Alltag. Sie nutzen den heutigen Nachmittag um gemeinsam verschiedene Aktivitäten zu planen. Wer macht lieber Karaoke oder geht Kegeln? Wer bevorzugt welches Café bei unserem Kaffeeausflug? Die Vergangenheit und Zukunft wird bei der Jahresendfeier besprochen, ein Fest um gemeinsam die erfolgreiche gemeinsame Arbeit zu feiern. Alle hören über eine Stunde still zu. Bis zur Aufführung der 9. Symphonie sind es noch 33 Tage. Also wird spontan beschlossen einen Countdown Kalender zu gestalten. Alle arbeiten zusammen, keiner motzt oder nimmt sich aus der Gruppe raus, alle Teilnehmer unterschiedlichster Behinderungen arbeiten Hand in Hand und unterstützen sich. Habe ich so in Deutschland noch nie erlebt.

Die Planung der nächsten Taiko Abende hingegen, ist etwas komplizierter. Ich bin unsicher, ob es so kompliziert ist, oder ob es durch die Tatsache, dass Japaner nicht konkret Nein sagen können, kompliziert wird. Also übe ich mich darin, nicht so viel darüber nachzudenken und nehme es wie es kommen wird.

07.11.2018

Mein letzter Praktikumstag bei ちょんこめ作業所. Heute regnet es, deshalb werde ich nicht der Gartengruppe zugeteilt, sondern mir wird die Textildekoration gezeigt. Eine wirklich nette Methode schöne Stoffdrucke herzustellen. Doch vorher gibt es ausgiebig, reichlich eine halbe Stunde Gymnastik. Nach dem Mittagessen wird wieder sauber gemacht und anschließend erfolgt meine Verabschiedung. Ein Moment der viel zu schnell kommt. Es werden Geschenke getauscht und viele, mir eingeschlossen, sind wirklich traurig. Zum Abschied wird noch eine Taiko in den Raum gestellt und wir genießen noch zusammen den Moment die Taiko zu schlagen.

Anschließend werde ich abgeholt, muss einer Opernsängerin etwas bei der Deutschen Aussprache helfen. Wir gehen den Text von der Fledermaus durch. Die Zeit bis zur abendlichen Taiko Party verbringe ich damit, das mir Yoshio verschiedene DVDs zeigt. Dann beginnt ein großartiges Fest mit Jean-Michel, einem Freund der Insel aus Frankreich.

08.11.2018

Nach dem Frühstück holte mich Yoshio-san ab und wir besuchen den Yakushido Schrein, welcher dem Gott der Augen gewidmet ist. Danach fahren wir zum Haus von 八丈島のびのび, eine soziale Einrichtung für Menschen mit psychischen Behinderungen. Hier darf ich heute Gast sein. Es fand eine sehr freundliche, lustige und interessierte Kommunikation statt und ich durfte an einer Teezeremonie teilnehmen. Am Nachmittag besuchte Yoshio-san mit mir nocheinmal Kikuchi-san und am Abend fand für dieses Jahr mein letztes Yosarekai Treffen, mit letztem hilfreichen Unterricht statt. Rückblickend stelle ich fest, die Insel ist jeden Tag den ich hier war, schöner geworden. Hier herrscht durchaus kein materieller Wohlstand,dafür sind die Bewohner Millionäre im Herzen. Es wird schwer fallen die Insel morgen wieder verlassen zu müssen. どうもありがとう

09.11.2018

Abschied und Abflug von Hachijojima.

Am Flughafen in Tokyo treffe ich mich mit Regina um gemeinsam auf ihre Familie zuwarten, welche heute über Paris aus Frankfurt kommt. Da die Maschine Verspätung hat, ziehen sich die Minuten in die Ewigkeit und mit der Spannung scheinen ebenso die Nerven unter Spannung zu geraten. Aber alles ist gut, es gibt ein freudiges Wiedersehen und nach einer kurzen Pause breche ich allein nach Odawara auf. Der Zug Dschungel ist mit Google gut zu meistern und ich lande in meinen Ryokan. Ein wirklich extrem traditionelles Gasthaus. Das Badezimmer ist zauberhaft, das Ambiente ist toll, der Besitzer „King Kong“ ist nett. Da das Haus weit über 100 Jahr alt ist, lag es früher sicher sehr ruhig. Heute brausen Autos und Lkw über die Straßen und die Wände des Hauses sind leider sehr dünn und nicht aus Stein. Am Abend streife ich noch ein wenig durch die Straßen der Stadt. Erstens um etwas zu essen, zweitens um den zwitschern der Ampeln zu lauschen und etwas die, hier wohl schon vorweihnachtliche, japanische Atmosphäre auf zu saugen.